Aminoglykosid-induzierte Nephrotoxizität

V. Fabrizii 1, F. Thalhammer 2, W. H. Hörl 1
1 Universitätsklinik für Innere Medizin IIl, Abteilung für Nephrologie und Dialyse, AKH Wien
(Vorstand: Univ.-Prof. DDr. W. H. Hörl)
2 Universitätsklinik für Innere Medizin I, Abteilung für Infektionen und Chemotherapie, AKH Wien
(Leiter: Univ.-Prof. DDr. W. Graninger)

Schlüsselwörter
Zusammenfassung
Key-words
Summary
Einleitung
Pharmakokinetik der Aminoglykoside
Pathophysiologie der Aminoglykosid-Nephrotoxizität
Risikofaktoren der Aminoglykosid-Nephrotoxizität
Vergleich der einzelnen Aminoglykoside
Applikationsformen
Prävention der Aminoglykosid-induzierten Nephropathie
Schlußfolgerung
Literatur

Schlüsselwörter:
Aminoglykoside, Nephrotoxizität, Einmaldosierung, Risikofaktoren für die Toxizität, Prävention

 

Zusammenfassung

Aminoglykoside sind bei schweren gramnegativen Infektionen häufig Antibiotika erster Wahl. Limitierend für den Einsatz sind toxische Nebenwirkungen, insbesondere die Nephrotoxizität. Für die antibakterielle Aktivität ist der Spitzenspiegel entscheidend, für die toxischen Nebenwirkungen eher der wesentlich länger wirksame Talspiegel. Mit der intramuskulären Applikation werden keine ausreichenden Spitzenspiegel erreicht, jedoch langanhaltend erhöhte Talspiegel. Bei der intravenösen Einmalgabe wird eine effiziente antiinfektiöse Wirkung mit geringer Nephrotoxizität erreicht. Damit ist diese Applikationsform bei Nierengesunden Verabreichungsform der Wahl. Aminoglykoside haben einen ausgeprägten postantibiotischen Effekt. Die nephrotoxische Wirkung der Aminoglykoside beruht auf der Schädigung proximaler Tubuluszellen. Sie ist nach Absetzen des Antibiotikums meist reversibel. Ein toxisches akutes Nierenversagen tritt relativ häufig auf (5-35%). Risikofaktoren sind Grunderkrankung, Nierenfunktion, Hydratationszustand, Alter, Tagesdosis, kumulative Dosis, Begleitmedikation, vorangegangene Aminoglykosidtherapie und Wahl des Aminoglykosides. Durch Einmaldosierung in Kombination mit adäquater Hydrierung, Alkalisierungstherapie mit Bikarbonat, möglichst kurze Therapiedauer (5 Tage) und Überwachung der Plasmakonzentration (Talspiegel) kann die Ausbildung einer Nierenfunktionsstörung weitgehend vermieden werden. Durch diese Maßnahmen ist das akute Nierenversagen während einer Aminoglykosid-Therapie eine wesentlich seltenere und vermeidbare Komplikation geworden.

 

Key-words:
Aminoglycosides, nephrotoxicity, once-daily therapy, efficacy, risk factors for toxicity, prevention of toxicity

 

Summary

In gram-negative infections aminoglycosides still remain to present a first-line antibiotic. Their use is limited by the high risk for side effects and especially nephrotoxicity. High peak levels are crucial for antibacterial activity, whereas toxic side effects are rather determined by trough levels. Thus, aminoglycosides should not be given by intramuscular injection because no sufficient peaklevels, but elevated plasma trough levels for a prolonged period are achieved. By administration of a daily single dose a high antibacterial efficacy can be combined with a low nephrotoxicity. Besides the dose-dependent bactericidal effect the post antibiotic effect of aminoglycosides is of main importance. The site of nephrotoxicity is the proximal tubulus epithelial cell. Renal toxicity is usually reversible after discontinuation of drug therapy. Toxic acute renal failure is not uncommon (5 - 35%) and usually dependent on the underlying disease, preexisting renal function, status of hydration, age, cumulative dose, side medication, previous therapy with aminoglycosides and the choice ofthe specific aminoglycoside. By the combination of a single daily dose regimen with sufficient hydration, alkalization therapy with bicabonate, monitoring of plasma trough levels and brief course of therapy (5 days) induction of renal impairment can be prevented in the large majority of patients. Actually, acute renal failure is avoidable and a much less often observed complication of amino-glycoside therapy.



Einleitung

Die chemische Stabilität und rasche bakterizide Wirkung machen Aminoglykoside zu Antibiotika der ersten Wahl in einer Vielzahl lebensbedrohlicher gramnegativer Infektionen [1, 2]. Limitiert wird ihr Einsatz vor allem durch Ototoxizität und Nephrotoxizität, weshalb Aminoglykoside in vielen Bereichen nicht mehr eingesetzt werden [3, 4, 5]. Durch ein besseres Verständnis der Pathophysiologie dieser Nebenwirkungen, durch geänderte Dosierungsschemata, ein systematisches "drug monitoring" und durch den Einsatz von prophylaktischen Maßnahmen hat die Häufigkeit von Komplikationen nach Aminoglykosidtherapie in den letzten Jahren drastisch abgenommen, sodaß heute wieder eine Neubewertung dieser therapeutisch sehr wertvollen Substanzklasse erfolgen sollte.

 

Pharmakokinetik der Aminoglykoside

Aminoglykoside sind polare Kationen, die bei oraler Gabe über den Gastrointestinaltrakt praktisch nicht resorbiert werden. Bei Darmerkrankungen kann jedoch die gastrointestinale Resorption erhöht sein. Ebenso kann bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion eine langdauernde orale oder rektale Applikation von Aminoglykosiden zu toxischen Serumkonzentrationen führen. Auch die lokale Applikation von Aminoglykosiden auf großflächige Wunden, wie Verbrennungen oder Hautulcera, kann bei Patienten mit Niereninsuffizienz toxische Serumspiegel bewirken. Intramuskulär appliziert werden alle Aminoglykoside rasch resorbiert und erreichen, wie auch nach intravenöser Verabreichung, nach 30 - 90 Minuten ihren Serum-Spitzenspiegel.

Außer Streptomycin sind Aminoglykoside nur gering eiweißgebunden. Ihr Verteilungsvolumen liegt bei ca. 25% des Körpergewichtes und entspricht so dem geschätzten Extrazellulärvolumen [6]. Die Gewebegängigkeit von Aminoglykosiden ist damit gering. Hohe Aminoglykosid-Konzentrationen werden ausschließlich in der Nierenrinde sowie in der Endo- und Perilymphe des Innenohres gefunden, jenen Organen also, bei denen die schwerwiegendsten Nebenwirkungen beobachtet werden [7]. In der Galle erscheinenAminoglykoside zu etwa 30%, im Bronchial- und Trachealsekret sind die Konzentrationen deutlich geringer, sodaß diese Substanzen bei Pneumonien nicht indiziert sind [8]. Nach wiederholter Verabreichung können ausreichende Spiegel in Gelenksflüssigkeiten nachgewiesen werden. Entzündungen erhöhen die Diffusion der Aminoglykoside in peritoneale und perikardiale Flüssigkeiten. Im nicht entzündlichen Liquor lassen sich keine therapeutisch relevanten Aminoglykosid-Konzentrationen nachweisen. Bei bakteriellen Infektionen der Meningen erreicht die Aminoglykosidkonzentration im Liquor jedoch etwa 20% des Serumspiegels [9].

Die Beziehung zwischen Serum-Spiegel und Toxizität bei Aminoglykosiden wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Verschiedene Studien haben gezeigt, daß die Inzidenz der toxischen Nebenwirkungen für Gentallicin bei hohen Spitzenspiegeln (> 12 mg/l) bzw. hohen Talspiegeln (> 2 mg/l) deutlich steigt [6, 10, 11]. Serum-Spiegel unter diesen Konzentrationen minimieren das Toxizitätsrisiko. Ausreichend hohe Spitzenspiegel sind für die effiziente antiinfektiöse Therapie von entscheidender Bedeutung [11, 12]. Dagegen wird die nephrotoxische Wirkung weniger vom Spitzenspiegel als vielmehr vom (wesentlich länger bestehenden) Talspiegel bestimmt. Wegen dieser teilweisen Entkopplung von antibakterieller Wirksamkeit und nephrotoxischem Risiko kann durch Modifikation des Dosierungsschemas (Einmalgabe) gute Wirksamkeit bei niedrigem Nebenwirkungsrisko erreicht werden. Zusätzlich haben Aminoglykoside einen lange anhaltenden post-antibiotischen Effekt. Dies bedeutet, daß auch nach Beendigung der Antibiotikazufuhr das Bakterienwachstum supprimiert ist. Sowohl in vivo- als auch in vitra-Studien zeigen, daß dieser post-antibiotische Effekt bei niedrigen Aminoglykosid-Serumspiegeln für gramnegative Keime 1 - 8 Stunden besteht. Bei höheren Konzentrationen ist die Dauer dieses Effektes noch länger [5]. Zusätzlich wird die Dauer des post-antibiotischen Effektes durch die Anzahl der neutrophilen Granulozyten, die Nierenfunktion und die Keimart beeinflußt.

 

Pathophysiologie der Aminoglykosid-Nephrotoxizität

Aminoglykoside sind zu einem kleinen Teil eiweißgebunden und werden nicht metabolisiert. Die Ausscheidung erfolgt hauptsächlich durch glomeruläre Filtration [13]. Nach glomerulärer Filtration wird ein Teil der Aminoglykoside an Phospholipid-Rezeptoren der apikalen Membran proximaler Tubuluszellen gebunden, durch Endozytose in die Zelle transportiert und in Lysosomen gespeichert. Lysosomen können ihre normalen Funktionen wie Phagozytose und Degradation zellulärer Abbauprodukte nicht erfüllen, es kommt zum Zelltod [13, 14].

Da die Aufnahme der Aminoglykoside in die proximalen Tubuluszellen rascher vor sich geht als die Elimination, werden auch während regulärer Therapiezyklen hohe Aminoglykosid-Konzentrationen im proximalen Tubulus erreicht [15]. Deshalb ist die Aminoglykosid-induzierte Nephrotoxizität mit 5 - 35% die häufigste Nebenwirkung [16]. Die Bedeutung der Akkumulation von Aminoglykosiden in proximalen Tubuluszellen für die Entstehung der Nephrotoxizität wird durch folgende Befunde gestützt [17, 18] :

1. Zellnekrosen treten in jenen Segmenten des Nephrons auf, in denen Aminoglykoside reabsorbiert werden;

2. das Risiko der Nephrotoxizität der Aminoglykoside korreliert mit ihrer Konzentration im renalen Kortex [19];

3. diabetische Ratten sind weitgehend resistent gegen die potentielle Aminoglykosid-Nephrotoxizität, da die tubuläre Akkumulation von Aminoglykosiden weniger ausgeprägt ist (Untersuchungen beim Menschen liegen diesbezüglich allerdings nicht vor).

Die Schädigung der proximalen Tubuluszellen führt schließlich zum akuten Nierenversagen. Sicherlich sind aber sowohl tubuläre, als auch glomeruläre und vaskuläre Faktoren beteiligt.

Die Halbwertszeit der Aminoglykoside beträgt bei normaler Nierenfunktion im Serum 1,5 - 2 Stunden, im Nierenkortex jedoch einige hundert Stunden. Daher können Aminoglykoside noch über Wochen im Harn ausgeschieden werden, auch wenn im Serum nach Absetzen des Pharmakons keine Substanz mehr nachweisbar ist. Tierexperimentelle Studien belegen die Korrelation zwischen Nephrotoxizität und kortikaler Aminoglykosid-Konzentration [19]. Diese wiederum ist vom Talspiegel im Serum abhängig: Die kortikale Akkumulation von Aminoglykosiden ist bei täglicher Einmaldosierung mit hohem Spitzenspiegel deutlich geringer als bei Dauerinfusion mit niedrigem Spitzenspiegel und hohem Talspiegel [20].

 

Risikofaktoren der Aminoglykosid-Nephrotoxizität
-
Folgende Faktoren sind mit einer höheren Inzidenz eines akuten Nierenversagens assoziiert (Tab. 1): lange Therapiedauer, mehrere Therapiezyklen in kurzer Zeit, tägliche Mehrfachgabe, hohe kumulative Dosis, hohes Lebensalter (bei Nichtbeachtung der im Alter meist eingeschränkten Nierenfunktion, sowie durch erhöhtes Risiko der Dehydratation aufgrund eines verminderten Durstgefühles im höheren Lebensalter), weibliches Geschlecht, Hypotonie, Hypovolämie oder Schock, begleitende Lebererkrankungen und vorbestehende Niereninsuffizienz [21, 22, 23].

Die Kombination mit anderen potentiell nephrotoxischen Substanzen erhöht das Risiko der Aminoglykosid-Nephrotoxizität (Tab. 2).
Dazu gehören Schleifendiuretika (durch Induktion einer Dehydratation bzw. Steigerung der Aminoglykosid-Konzentration im Tubuluslumen), Cephalosporine (erste, z. T auch zweite Generation), Röntgenkontrastmittel, Amphotericin B, Narkotika (Methoxyfluran), Cisplatin, Cyclosporin und nicht-steroidale Antirheumatika.

Tabelle 1: Risikofaktoren für die Entstehung der Aminoglykosid-Nephrotoxizität

Status des Patienten
Dehydratation, Hypovolämie
fortgeschrittenes Alter
vorbestehende Niereninsuffizienz
weibliches Geschlecht
Lebererkrankungen
Hypotonie, Schock

-
Medikamentengabe
hohe kumulative Dosis
langdauernder Therapiezyklus
kurze Dosierungsintervalle
Art des Aminoglykosides beim Hochrisikopatienten
-
Therapiezyklus
vorrangegangener Aminoglykosid-Zyklus
hohe Serum-Spitzen oder -Talspiegel
gleichzeitige Verabreichung anderer potentiell
nephrotoxischer Substanzen

Vancomycin allein führt in einem geringen Prozentsatz zu einer Nierenschädigung, die Kombination mit Aminoglykosiden erhöht das Risiko auf bis zu 35% [3, 13, 16, 24, 25, 26].
Tabelle 2: Verstärkung der Aminoglykosid-induzierten Nephrotoxizität durch andere Medikamente
Schleifendiuretika (Dehydratation)
Kontrastmittel
Vancomycin
Amphotericin B
Cisplatin
Cyclosporin
Methoxyfluran
nicht-steroidale Antirheumatika

 

 

Vergleich der einzelnen Aminoglykoside

Die nephrotoxische Potenz der verschiedenen Aminoglykoside wird kontroversiell diskutiert [21, 27, 28]. Streptomycin hat nur ein minimales nephrotoxisches Potential, während dies bei Neomycin jedoch so hoch ist, daß diese Substanz nur oral (im Rahmen der selektiven Darmdekontamination) oder lokal (in Salben, Puder, Augentropfen) angewendet werden kann. Die Nephrotoxizität der Aminoglykoside nimmt u.a. mit der Anzahl der Aminogruppen ab. Gentamicin besitzt sechs, Netilmicin nur drei Aminogruppen. Entsprechend liegen für Netilmicin die täglich empfohlene Dosis und die erlaubte kumulative Dosis höher als bei Gentamicin. In Anbetracht der Multimorbidität der behandelten Patienten und der möglichen Interaktionen mit Begleitmedikationen ist es überaus schwierig überzeugende Unterschiede mit klinischer Relevanz zwischen einzelnen Aminoglykosiden herzuleiten.

 

Klinisches Bild der Aminoglykosid-Nephrotoxizität
-
Durch die tubuläre Schädigung kommt es zur Polyurie und zur Ausscheidung lysosomaler Enzyme im Harn. Harn-Natrium-Konzentration und fraktionelle Natrium-Exkretion sind hoch (> 40 mEq/l bzw. > 1 %). Das Nierenversagen manifestiert sich 7 -10 Tage nach Beginn der Behandlung [29]. Nach Absetzen der Therapie ist das Nierenversagen fast immer reversibel. Bei oligoanurischen Verlaufsformen sind meist nur wenige Hämodialysebehandlungen zur Überbrückung notwendig, ein prolongiertes akutes Nierenversagen ist meist durch zusätzliche Faktoren, wie Schweregrad der Grundkrankheit und zusätzlich auftretende Komplikationen, verursacht (Tab. 3). Tabelle 3: Klinisches Bild der Aminoglykosid-Nephrotoxizität

frühe reversible Veränderungen
lysosomale Enzymurie
Veränderungen im Harnsediment (Zylindurie)
Polyurie (Konzentrierungsdefekt)
Kaliurie
Magnesiurie

nicht-oligurisches akutes Nierenversagen
der glomerulären Filtrationsrate
Anstieg von Harnstoff (Harnstoff-N) und Kreatinin
hohe Harn-Natrium-Konzentration
hohe fraktionelle Natrium-Exkretion

 

 

Applikationsformen

Aminoglykoside sollten beim nierengesunden Patienten als tägliche Einmaldosierung intravenös appliziert werden. Die früher übliche Verabreichung von 2 bis 4 täglichen Einzeldosen ist obsolet [30-38].

Für die Einmaldosierung von Aminoglykosiden bei Patienten mit normaler Nierenfunktion spricht der höhere Spitzenspiegel (wichtig für die bakterizide Wirkung der Substanz), der relativ lange post-antibiotische Effekt und der nur kurze Zeit erhöhte Talspiegel (Halbwertszeit 2-3 Stunden), wodurch das Risko der Nephrotoxizität vermindert wird.

Laczika et al berichten, daß bei kritisch kranken septischen Patienten das Risiko der Aminoglykosid-Nephrotoxizität unter entsprechender Hydrierung, engmaschiger Kontrolle der Nierenfunktion und der Antibiotika-Talspiegel gering ist. Obwohl die empfohlene Tageshöchstdosierung für Netilmicin deutlich überschritten wurde, konnte keine Nierenfunktionseinschränkung beobachtet werden [39]. Mögliche Indikationen für eine tägliche Mehrfachgabe betreffen leukopenische Patienten, auch Patienten mit akuter bakterieller Endokarditis [41,42, 43]. Eine endgültige Beurteilung des optimalen Dosierungsschemas bei diesen Erkrankungen ist derzeit nicht möglich.

Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion ist die Halbwertszeit der Aminoglykoside deutlich verlängert. Sie beträgt bei Dialysepatienten etwa 30 - 36 Stunden, weshalb sich die dreimal wöchentliche Gabe nach Dialysebehandlung anbietet. Die Aminoglykosiddosierung ist bei Patienten mit Reduktion der Nierenfunktion deshalb problematisch, da aus einer adäquat hohen Dosierung automatisch prolongiert erhöhte Talspiegel resultieren.

 

Prävention der Aminoglykosid-induzierten Nephropathie

Die Minimierung der Risikofaktoren (Tab. 1) ist entscheidend in der Prävention des akuten Nierenversagens. Von diesen Faktoren ist bei Patienten ohne schwere Nierenfunktionseinschränkung bzw. bei septischen oder hypovolämen Patienten die Korrektur der renalen Minderperfusion im Rahmen einer Dehydratation bzw. der kardialen Dekompensation entscheidend [ 18, 42]. Da die Zufuhr von Natrium-Bikarbonat die Aufnahme von Aminoglykosiden in die Nierenrinde hemmt [43-46], sollte bei niereninsuffizienten Patienten vor Aminoglykosid-Applikation die metabole Azidose durch Natrium-Bicarbonat-Zufuhr ausgeglichen werden. Allerdings konnte im Tierversuch kein Einfluß einer Alkalisierung auf das Ausmaß der Akkumulation von Aminoglykosiden in der Nierenrinde bzw. von histologischen Läsionen gezeigt werden [45]. Sauerstoffradikalfänger und Chelatbildner dürften ebenfalls einen nephroprotektiven Effekt bei Aminoglykosid- Therapie haben [47]. Die Therapie mit Aminoglykosiden sollte durch Bestimmung von Serumtalspiegel ("drug monitoring") sowie Nierenfunktion überwacht werden.

Tabelle 4: Prävention

Beachtung des Hydratationsstatus

Einmalapplikation (langes Dosierungsintervall)

"drug monitoring" (Vermeidung hoher Talspiegel)

Vermeidung hoher kumulativer Dosen

kurze Therapiedauer (< 5 Tagen)

engmaschige Überwachung der Nierenfunktion

Vermeidung der gleichzeitigen Applikation anderer nephrotoxischer Substanzen

Alkalisierung des chronisch metabolisch azidotischen Patienten mit Bikarbonat

Wahl des spezifischen Aminoglykosides

 

Schlußfolgerung

Die hohe Rate an Nebenwirkungen hat die Aminoglykoside in Verruf gebracht. Früher waren Aminoglykoside eine der häufigsten Ursachen des akuten Nierenversagen im Krankenhaus. Die Erkenntnis, daß die antiinfektiöse Wirkung (die vom Serum-Spitzenspiegel determiniert wird) von der toxischen Nebenwirkung (die vorwiegend vom langdauernden Talspiegel bestimmt werden) teilweise durch Modifikation des Therapieschemas (Einmaldosierung) entkoppelt werden kann, die Möglichkeit der Überwachung der Therapie durch "drug monitoring" und vor allem der Einsatz von entsprechenden prophylaktischen Maßnahmen haben das akute Nierenversagen nach Aminoglykosid-Gabe zu einer vermeidbaren, tatsächlich auch zur einer selteneren Komplikation gemacht. Unter entsprechenden Vorkehrungen und Monitoring kann auch eine hochdosierte Aminoglykosid-Therapie ohne das Auftreten von Nephrotoxizität vorgenommen werden. Möglicherweise kann man in diesem Zusammenhang von einer Renaissance dieser Antibiotika sprechen, die in der Behandlung von verschiedenen gramnegativen Infektionen eine sehr wertvolle Substanzgruppe darstellen.

 

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Anschrift des Verfassers:
Dr. Veronika Fabrizii
Univ.-Klinik für Innere Medizin III, Klinische Abteilung für Nephrologie und Dialyse,
Allgemeines Krankenhaus der Stadt Wien
A-1090 Wien, Währinger Gürtel 18-20

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