Peritonitis
Pathophysiologie, Keimspektrum und Therapie

Prim. Univ.-Prof. Dr. Thomas Sautner
Chirurgische Abteilung des Krankenhauses St. Elisabeth, Wien


Intraabdominelle Infektionen sind in Abhängigkeit von Ursache, Lokalisation und Ausdehnung mit hoher Morbidität und Mortalität vergesellschaftet. Trotz moderner antibiotischer und intensivmedizinischer Möglichkeiten liegt die Sterblichkeit etwa bei schwerer postoperativer Peritonitis nach wie vor bei 40 bis 60 Prozent, betonte Univ.-Prof. Dr. Thomas Sautner von der Chirurgischen Abteilung des Krankenhauses St. Elisabeth in Wien.

Definitionsgemäß unterscheidet man die primäre und sekundäre Peritonitis. Die primäre Form (bei Leberzirrhose oder CAPD) ist gekennzeichnet durch spontanes Auftreten ohne intraabdominellen Herd. Verursacht wird sie durch hämatogene Translokation eines aus der Darmflora stammenden Keims oder durch einen per Katheter eindringenden Keim. Die sekundäre Peritonitis, die durch Kontamination nach Hohlorganperforation (60–80%), ischämischen Darmläsionen oder postoperativ (Anastomosenleak, Drainarrosion) entsteht, hat eine wesentlich schlechtere Prognose. Der komplizierte Verlauf einer primären oder sekundären Peritonitis wird als tertiäre Peritonitis (Spätstadium ohne Keimnachweis oder mit Nachweis opportunistischer Flora) bezeichnet.

Die Pathophysiologie der Peritonitis wurde von Weinstein WN und Bartlett JG tierexperimentell in den 1970er- Jahren geklärt (Weinstein WN Infect Immun 1974; 10:1250-1255, Bartlett JG Arch Surg 1978; 113:853-857). Im ersten Stadium, dem Peritonitisstadium (1. bis 5. Tag), findet sich in der Bauchhöhle diffuses Exsudat und die Mortalität liegt bei etwa 43%. In der Blutkultur herrscht E. coli vor, lokal finden sich E. coli, B. fragilis und Enterokokken. Im folgenden Abszessstadium (5. bis 7. Tag), kommt es zur Abszessbildung und die lokal vorherrschenden Keime sind Anaerobier. Die Blutkultur ist negativ und es treten kaum Todesfälle auf.

 

Keimspektrum und Problemkeime

Das Keimspektrum variiert je nach Form. Ist die primäre Peritonitis in der Regel eine monomikrobielle Infektion und wird durch Gram-negative Darmbakterien wie E. coli, oder Klebsiella ausgelöst (bei Katheterpatienten auch Gram-positive Keime wie Staphylococcus aureus assoziiert), liegt bei einer sekundären Peritonitis immer eine Mischinfektion Gram-positiver und Gram-negativer Keime vor. Bei der tertiären Peritonitis finden sich vor allem seltene, durch lange Antibiotikagabe selektionierte Keime, bei Immunsupprimierten auch Pilze im Abdomen.

Problemkeime sind einerseits Enterokokken und andererseits Candida. Die Rolle von Enterokokken bei intraabdominellen Infektionen wird in der Literatur kontroversiell diskutiert. Diese könnten als Co-Pathogen zu E. coli fungieren, die in der polymikrobiellen Flora ein Indikator für Therapieversagen sind. Bei übermäßigem Vancomycin-Gebrauch werden bereits resistente Stämme beobachtet.

Bei Candida muss zwischen Kolonisation und Infektion unterschieden werden, bei bestimmten Patientengruppen (v. a. immunkompromittierte Patienten) kann aber eine Kolonisation Basis einer Fungämie sein. Antazida führen auch zu höherer Magenbesiedlung. Daher lautet die Empfehlung, bei community acquired intraabdominellen Infektionen bei Anwesenheit von Candida im Abstrich eine Therapie zu unterlassen, jedoch bei Patienten auf Intensivstationen mit einem prinzipiell höheren Risiko schon zu therapieren, da der Therapieerfolg nach Entstehen einer Fungämie geringer ist als bei frühzeitiger Behandlung.

 

Therapieoptionen

Prognosekriterien bei Peritonitis sind die Ausdehnung der Infektion (lokale Infektion – geringes Risiko, systemische Infektion – hohes Risiko), ob der Fokus bei generalisierter Peritonitis saniert werden kann und ob im Krankheitsverlauf Organversagen auftritt. Ein nicht zu beeinflussender Risikofaktor ist das Patientenalter.

Chirurgische Therapie

Bis in die 1920er-Jahre wurden ausschließlich konservative Verfahren angewendet. 1926 erschien die maßgebliche Untersuchung von Martin Kirschner (Arch Klin Chir 1926; 142: 253-309), in der bereits im Wesentlichen die bis heute gültigen chirurgischen Behandlungsprinzipien definiert wurden. Zuerst erfolgt die Herdsanierung zur Ausschaltung der Infektionsquelle, danach die Peritonaltoilette – die Reinigung der Abdominalhöhle mittels mechanischer Entfernung von Detritus und Ingesta und anschließender Spülung mit physiologischer Kochsalzlösung ohne Zusatz von Antibiotika oder Antiseptika. Danach muss der Operateur den weiteren Verlauf abschätzen und gegebenenfalls ein Verfahren zur Infektionskontrolle festlegen.

Wie wichtig die Herdsanierung ist, zeigen die Ergebnisse von zwei Studien zur Mortalität in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Herdsanierung (Götzinger P. et al Langenbecks Arch Chir. 381: 343-347; 1996; Koperna T. Schulz F, World J. Surg 24: 32-43; 2000). Gelingt die Herdsanierung bereits mit der ersten Operation, liegt die Mortalität der Patienten zwischen 5 und 10%, sind jedoch weitere Operationen notwendig, steigt diese auf 25 bis 50%. Gelingt die Sanierung des Infektionsherdes nicht, versterben die Patienten in den meisten Fällen.

Zur fortgesetzten Peritonitisbehandlung stehen unterschiedliche Verfahren zu Verfügung. Wurde in den 1970ern das Offenlassen des Abdomens angewendet, ging man in den 1980ern zur postoperativen Dauerlavage über. Eine prospektiv randomisierte Studie von Hallerbeck B et al (Surgery Gynecol Obstet 1968, 163: 433-36) erbrachte jedoch, dass mit diesem Verfahren keine Outcome-Verbesserung erreicht wird. Als Relaparotomievarianten kommen das geplante (z. B. im 48-Stunden-Rhythmus), oder das bedarfsorientierte „on demand“-Verfahren in Betracht. Die heute gültige Empfehlung, Patienten vorrangig „on demand“ zu relaparotomieren, stützt sich auf Ergebnisse

von drei Studien (Hau T et al 1995, Arch Surg 130:1193-97; Lamme B et al 2004, Br. J Surg 91:1046-1054; van Ruler et al 2007 JAMA 298: 865-873). Ein Vergleich Relaparatomie „on demand“ versus geplanter Operation erbrachte zwar keinen Unterschied bezüglich der Mortalität, zeigte aber mehr Komplikationen (Bauchdeckenkomplikationen, Fistelrisiko und Blutung), längere Krankenhausaufenthalte und höhere Kosten bei geplanter Operation.

Ein weiteres Verfahren, das Abdominal Dressing (VAC – Vaccum Assited Closure), wird nicht routinemäßig, sondern nur bei Patienten mit abdominellem Kompartment angewendet.

Antibiotische Therapie

Für die antibiotische Therapie der spontanen bakteriellen Peritonitis werden Cephalosporine der 3. Generation, alternativ Chinolone oder Piperazillin/Tazobactam empfohlen. Für eine AB-Prophylaxe nach der ersten Episode gibt es gegenwärtig keine Evidenz.

Bei community acquired Perforationsperitonitis geringer bis mäßiger Schwere werden als Monotherapie verschiedene Cephalosporine oder Kombinationspenicilline oder Ertapenem empfohlen oder als Kombinationstherapie Cefazolin oder Cefuroxim + Clindamycin oder Metronidazol; Quinolon + Clindamycin oder Metronidazol. Für schwere Infektionen oder bei potenziell resistenten, Gram-negativen Keimen werden als Monotherapie Imipenem-Cilastin, Meropenem, Doripenem, Piperazillin/Tazobactam oder als Kombinationstherapie Ciprofloxacin oder Aztreonam oder Aminoglycosid + Metronidazol oder Clindamycin empfohlen. Aminoglycoside sollten jedoch aufgrund ihres Risikoprofils nur sehr zurückhaltend eingesetzt werden.

Eine Metaanalyse aus 36 Studien der Cochrane Library 2008 für CAPDPeritonitis hatte zum Ergebnis, dass intraperitoneal applizierte Antibiotika besser wirken als intravenös verabreichte, in der Zusammenfassung weisen die Autoren jedoch darauf hin, dass sich diese Empfehlung nur auf die Daten einer Studie stützt. In einer weiteren Analyse der Cochrane Library 2009 mit 40 Studien zur sekundären Peritonitis mit 5.094 Patienten kommen die Autoren zur Überzeugung, dass Antibiotika ihren Platz in der adjuvanten Therapie der chirurgisch sanierten Peritonitis haben, es aber nicht gelingt, eine Überlegenheit für ein Antibiotikum nachzuweisen.

Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, dass die Datenlage zur Antibiotikatherapie bei Peritonitis je nach Form sehr inhomogen ist und die therapeutischen Entscheidungen weiterhin auch maßgeblich individuell getroffen werden müssen.

 

Anschrift des Referenten:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Thomas Sautner
Chirurgische Abteilung
Krankenhaus St. Elisabeth GmbH
1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 4a
Email: thomas.sautner@elisabethinen-wien.at


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