Die Ausbildung zum Infektiologen in Österreich

H. Pichler
em. Vorstand der 4. Med. Abteilung des Kaiser-Franz-Josef-Spitals, Wien

Ausdruck im pdf-Format (4,36 MB)


In der Ära Spitzy, dem Nestor der österreichischen klinischen Infektiologie, war die Ausbildung zum Infektiologen Teil der Ausbildung zum Facharzt für Innere Medizin. Nach einer verpflichtenden Rotation in den Hauptfächern der Inneren Medizin entschied man sich nach Neigung und verfügbarer Ausbildungsstelle zu einer der Subdisziplinen der Inneren Medizin und wurde nach 6 Jahren Gesamtausbildung Facharzt für Innere Medizin.

Die fast explosionsartige Zunahme des Wissensstandes in den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts, die Vielfalt an neuen apparativen und teilweise aggressiven Untersuchungsmethoden und die Entwicklung neuer Pharmaka mit unterschiedlichen Wirkungsmechanismen, Pharmakokinetik und Toxizitäten waren von einem breit ausgebildeten Internisten nicht mehr zu beherrschen. Dies führte zu einer Aufsplitterung der Inneren Medizin in verschiedene Subdisziplinen wie Kardiologie, Gastroenterologie, Intensivmedizin etc. Die Initiative zu diesen Subdisziplinen der Inneren Medizin ging von den Fachgesellschaften aus, die den Antrag zur Schaffung eines Additivfacharztes an die Österreichische Ärztekammer stellten. Die Österreichische Ärztekammer prüfte den Antrag und leitete ihn weiter an das Bundesministerium für Gesundheit.

Die Gründe, die zur Entstehung der Subdisziplin „Infektiologie und Tropenmedizin“ im Rahmen des Sonderfaches Innere Medizin führten, sind die folgenden:

1. In den letzten 20 Jahren haben große Veränderungen in der Epidemiologie von Infektionen stattgefunden. Diese sind assoziiert mit Innovationen in der modernen Medizin, mit den besseren Überlebenschancen von immunkompromittierten Patienten und mit der höheren Lebenserwartung der Bevölkerung. Die Entwicklung der Intensivbehandlung, der Chirurgie, der Organtransplantationen, der Implantatchirurgie, der onkologischen Chemotherapie und Radiotherapie haben die Grundlage für Infektionen mit bisher wenig pathogen oder apathogen angenommenen Erregern geschaffen. Dazu gehören gewisse Bakterien, Pilze, opportunistische Parasiten und auch Viren. Auf Intensivstationen erleiden bis zu 40% der Patienten nosokomiale Infektionen, die die häufigste Todesursache bei Intensivpatienten und bei Transplantatempfängern darstellen.

2. Änderungen der Lebensgewohnheiten unserer Bevölkerung wie z.B. Reisen in die Tropen (über 400.000 Österreicher fahren jährlich in die Tropen), Änderung des Sexualverhaltens, Konsum von Drogen, aber auch Trends in der industriellen Lebensmittelproduktion haben größere Bevölkerungsgruppen mit autochthonen oder exotischen Infektionskrankheiten konfrontiert. AIDS mit seiner Fülle von Infektionsproblemen, aber auch Tropenkrankheiten wie Malaria, Dengue-Fieber, virale hämorrhagische Fieber und importierte Infektionskrankheiten wie SARS, Vogelgrippe etc. führten zu einer völlig neuen Infektionslandschaft. Einen ebenso neuen Aspekt eröffnet das Horrorszenario, dass Österreich zum Zielgebiet von internationalen Bioterrorattacken werden könnte. Erste Erfahrungen machten wir in Österreich bereits 2001 mit der Anthraxkrise. Die Bioterrorgefahr durch Anthraxsporen, Pockenviren und andere führte zur Erstellung des Österreichischen Pockenalarmplanes durch das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen.

3. In den letzten Jahren wurden zumindest 20 neue Infektionskrankheiten beschrieben. Die Einführung der Molekularbiologie eröffnet völlig neue Möglichkeiten für die Diagnostik von Infektionserregern.

Die oben aufgezählten Ursachen für neue Infektionskrankheiten oder Infektionen bei Patienten mit z.B. erworbener Immunsuppression erfordern häufig invasive diagnostische Methoden und den Einsatz von hochentwickelten und teuren Laboratoriumsmethoden. Die Indikation für diese Untersuchungen wird immer schwieriger und ihre Auswertung immer komplizierter. Die Anwendung der neuen antibakteriellen, antiviralen, antimykotischen und antiparasitären Medikamente mit ihrer häufig geringen therapeutischen Breite bei Patienten mit schweren Grundkrankheiten und/oder Multiorganversagen erfordert sowohl profunde Kenntnisse in der Pharmakologie, Pharmakodynamik und Pharmakokinetik dieser Substanzen als auch in der Klinik dieser Erkrankungen. Das Management dieser Patienten mit ihren komplexen Problemen überfordert den Allgemeininternisten.


Tabelle 1:
Ausbildungsordnung zum Additivfach für Infektiologie und Tropenmedizin, Stand: 14.3.2005

24 Mo klinische Infektiologie

(davon wahlweise 3 Monate in Pädiatrie oder Dermatologie,
6 Monate Innere Medizin im Rahmen der Facharztausbildung sind anrechenbar)

6 Mo Mikrobiologie und Hygiene
3 Mo Virologie
oder
med.-chem. Laboratoriumsdiagnostik
oder
spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin
3 Mo klinische Tropenmedizin im Ausland
Inkludiert in der Ausbildungszeit von 36 Monaten sind der Besuch von:
Kurs in Tropenmedizin (3 Mo)
Kurs in Krankenhaushygiene (80 h)

Zur Sicherstellung der kompetenten Behandlung von Patienten mit Infektionskrankheiten und des ökonomischen Einsatzes von Ressourcen für die Diagnostik und Therapie dieser Patienten ergriff die Österreichische Gesellschaft für Infektionskrankheiten die Initiative und stellte den Antrag zur Schaffung des Additivfacharztes „Infektiologie und Tropenmedizin“. Das Additivfach „Infektiologie“ existiert bereits in den USA, Kanada, Schweiz, Norwegen und in 21 von 25 EU-Ländern. Die Ausbildungsordnung zum Additivfacharzt für Infektiologie und Tropenmedizin gibt Tabelle 1 wieder. Die Ausbildung dauert 3 Jahre, davon 2 Jahre in klinischer Infektiologie in einer von der Österreichischen Ärztekammer anerkannten klinischen Abteilung; weiters noch zumindest 3 Monate in klinischer Tropenmedizin im Ausland in einer ebenfalls anerkannten klinischen Abteilung. Die Ausbildung muss nachweislich das Management der folgenden Infektionen bzw. folgende infektiologische Tätigkeiten inkludieren:

1. nosokomiale Infektionen und außerhalb des Krankenhauses erworbene Infektionen bei ambulanten und stationären Patienten
2. HIV / AIDS
3. Tuberkulose, virale Hepatitis
4. infektiologische Konsiliartätigkeit bei Intensivpatienten, bei immunkompromittierten Patienten und bei Infektionspatienten sowohl an chirurgischen als auch an konservativen Abteilungen
5. Reise- und Tropenkrankheiten
6. Tätigkeit in einer Reiseambulanz
7. klinische Tropenmedizin im Ausland
8. medizinische Mikrobiologie / Virologie / medizinisch-chemische Laboratoriumsdiagnostik / spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin
9. Erfassung von nosokomialen Infektionen

Die angeführte Ausbildungsordnungzum Additivfach für „Infektiologie und Tropenmedizin“ hat sowohl einenZugang für den Internisten als auch für den Mikrobiologen und Facharzt für spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin.

Nach den letzten Informationen seitens der Österreichischen Ärztekammer ist mit der Approbation der Ärzteausbildungsordnung 2005, worunter auch die Additivfächer fallen, durch das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen nicht vor 2006 zu rechnen.

In der Zwischenzeit gibt es eine Initiative der Österreichischen Ärztekammer zur weitestgehenden Angleichung der Ausbildungsordnung der Subdisziplinen der Inneren Medizin mit der UEMS (European Union of Medical Specialists). Die Ausbildungsordnung der UEMS für medizinische Spezialisten wie Kardiologen, Gastroenterologen etc. schreibt 1 Jahr Turnus (internship), 2 Jahre Ausbildung in allgemeiner Innerer Medizin (common trunk) und dann 4 Jahre Ausbildung im Spezialfach vor, also eine Gesamtausbildungszeit von 7 Jahren. Dem steht in Österreich eine Ausbildungszeit von 6 Jahren für den Facharzt für Innere Medizin und von 2 - 3 Jahren für das Spezialfach gegenüber, d.h. eine Ausbildungszeit von 8 - 9 Jahren. Derzeit lehnen die Repräsentanten der Fachgesellschaften für Innere Medizin eine Ausbildungsordnung ab, die es ermöglichen würde, den Facharzt für ein Additivfach der Inneren Medizin zu erlangen, ohne Facharzt für Innere Medizin zu sein. Man einigte sich vorläufig auf den Terminus: Facharzt für allgemeine Innere Medizin mit einer 6-jährigen Ausbildungszeit, wie bisher, und für den Spezialisten: Facharzt für Innere Medizin und z.B. Kardiologie mit einer 7-jährigen Ausbildungszeit. Das Curriculum des zweiten Facharztes setzt sich aus 4 Jahren Ausbildung in den intern-medizinischen Hauptfächern und 3 Jahren Ausbildung im Additivfach zusammen.

Die weitestgehende Angleichung des Curriculums des Österreichischen Facharztes für Innere Medizin und Infektiologie und Tropenmedizin an die Richtlinien der UEMS – Section in Infectious Diseases erscheint mir wünschenswert und notwendig, da nur dadurch eine wechselseitige Anerkennung („mutual recognition“) des Facharztes in den EU-Ländern ermöglicht und eine Niederlassungsfreiheit in den EU-Ländern gestattet wird. Wenn wir dieses Ziel erreichen, wird der Additivfacharzt „Infektiologie und Tropenmedizin“ für den jungen Arzt deutlich an Attraktivität gewinnen.


Zusammenfassung

Der Additivfacharzt für Infektiologie und Tropenmedizin ist in Österreich im stadium nascendi und wird 2006 aus der Taufe gehoben werden. Die Dauer der Ausbildung zum Erwerb des Additivfaches beträgt 3 Jahre. Das Curriculum sieht eine 2-jährige Ausbildung in einer von der Österreichischen Ärztekammer anerkannten Fachabteilung für Innere Medizin und Infektiologie und Tropenmedizin vor.

Der Ausbildungskatalog schreibt Kenntnisse und Erfahrungen bei nosokomialen und außerhalb des Krankenhauses erworbenen Infektionen, bei Tropen- und Reisekrankheiten, bei HIV / AIDS, Tuberkulose, viraler Hepatitis, bei opportunistischen Infektionen, bei chirurgischen Infektionen und bei Infektionen von Intensivpatienten vor. Weiters ist ein Kurs in Tropenmedizin von zumindest 3 Monaten zu absolvieren und eine ärztlicheTätigkeit von zumindest 3 Monaten an einer anerkannten Abteilung für klinische Tropenmedizin im Ausland nachzuweisen. 9 Monate Ausbildung in Mikrobiologie und Hygiene sind vorgeschrieben, worin 3 Monate Virologie oder medizinisch-chemische Laboratoriumsdiagnostik oder spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin inkludiert sind. Der Besuch eines Kurses in Krankenhaushygiene von 80 Stunden Dauer ist ebenfalls obligat.

 

Anschrift des Verfassers:
Univ.-Prof. Dr. med. Hannes Pichler
(em. Vorstand der 4. Med. Abteilung des Kai-ser-Franz-Josef-Spitals)
1130 Wien, Hietzinger Hauptstraße 127
E-Mail: het.pichler@gmx.at

zurück zum Inhalt